Manfred Stephan (Hrsg.)

Sintflut und Geologie

Schritte zu einer biblisch-urgeschichtlichen Geologie


Exkurs 6 zu Sintflut und Geologie (3. Aufl.)

Schöpfung oder Sintflut in Psalm 104?

Dieser Psalm, besonders V. 9, wird häufig dahingehend verstanden, dass hier die Sintflut beschrieben sei, während für viele Alttestamentler der Textzusammenhang eine Parallele zum Schöpfungsbericht nahe legt. Letzteres dürfte zutreffen, zumal der gesamte Psalm ein Lobpreis des Schöpfers ist. Für zahlreiche Schöpfungswerke wird Gott gelobt. A. v. Humboldt sagte 1847 zu Ps 104, man sei „erstaunt, in einer lyrischen Dichtung von so geringem Umfang mit wenigen großen Zügen das Universum, Himmel und Erde, geschildert zu sehen“.1 Lamparter zum Beispiel sieht in Ps 104 ein hymnisches Echo auf den Schöpfungsbericht Gen 1. So ist es unwahrscheinlich, in Vers 6-9 eine Anspielung auf Gen 9,15 zu sehen. Vielmehr dürfte hier eine bildhafte, hymnische Parallele zu Gen 1,9f. vorliegen, als Gott das Festland vom Meer schied. Während aber der Schöpfungsbericht über dieses Scheidungswerk sozusagen sachlich berichtet, wird es in Psalm 104,6-9 poetisch besungen: „Die chaotischen Wassermassen der Urflut hat der Schöpfer vertrieben, um Land und Meer zu scheiden, und er jagte die Wasser mühelos vor sich her. Sein Donnerruf genügte, um sie zu verscheuchen! Auf sein Befehlswort hoben sich die Berge und senkten sich die Täler. Mit überlegener Gewalt wies er den Wassern ihre Grenze, die sie nicht überschreiten“.2

Zu Ps 136,6 und anderen Aussagen zur Beschaffenheit der Quellen der Tiefe: Es ist wichtig zu beachten, dass bei Psalmstellen und anderen poetischen Texten der Bibel, die naturkundliche Bereiche erwähnen, insofern Vorsicht geboten ist, weil dort auch mit bildhaften Aspekten zu rechnen ist. Darauf weisen auch Ausleger bezüglich poetischer Schöpfungstexte im Hiobbuch, den Psalmen und bei Jesaja hin, die dem Wahrheits- und Wirklichkeitsanspruch der Heiligen Schrift besonders verpflichtet sind.3


1 Zit. n. Lamparter, Psalmen II (1965), 186.
2 Lamparter, Psalmen II (1965), 187-189; vgl. auch Hiob 38,8-11.
3 Z.B. Dreytza et al., Studium (2002), 81-83 und Stadelmann, Schriftverständnis (2005), 162-165; s.u.

Nähere Informationen zu den Quellenangaben in Teil 1 und Teil 2 des Literaturverzeichnisses


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